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Diese Webseite ist ein Projekt, das sich gegen die neuen, ausufernden Beobachtungspraktiken des Verfassungsschutzes richtet. Um zu erfahren, ob man vom Verfassungsschutz beobachtet wird, bieten wir einen Antragsgenerator an, mit dem Datenauskunfts-Anträge an alle deutschen Nachrichtendienste erstellt werden können. Außerdem bieten wir die Möglichkeit an, uns für eine Langzeitrecherche über den Verfassungsschutz freiwillig zurückzumelden, wenn beobachtet wird. Zudem stellen wir Kontakte zu Rechtsanwälten her, wenn man juristisch gegen die Beobachtung der eigenen Person vorgehen möchte. Warum ist das alles nötig, und was macht den Verfassungsschutz so problematisch?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist der deutsche Inlandsgeheimdienst. Seit 2021 gehört die Ausspähung von Gesinnungsvergehen der Bürger - noch lange vor dem Erreichen einer Strafbarkeit - zu seinen Hauptbetätigungsfeldern.

Ein Inlandsgeheimdienst, der seine Bürger unter Generalverdacht stellt, sucht in einer westlichen Demokratie seinesgleichen und stellt im Fall Deutschlands ein Relikt aus zwei Weltkriegen und einer jahrzehntelangen Diktatur dar: Dem Bürger wird hierzulande traditionell stärker misstraut als in anderen Ländern.

Das erklärte Ziel der heutigen, massiv ausgeweiteten präventiven Gedankenschnüffelei ist es, vermeintliche „verfassungswidrige Bestrebungen“ schon zu erkennen, bevor sie an Einfluss gewinnen können. Unter einer „verfassungswidrigen Bestrebung“ versteht der Verfassungsschutz einen zielgerichteten Versuch, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen.

Um solche Versuche frühzeitig zu detektieren, und eine soziale Ächtung der Betroffenen herbeizuführen – die sogenannte „Zersetzung“ - nimmt der Verfassungsschutz bereits Gedankenverbrechen ins Visier, von denen er annimmt, dass sich daraus einmal „verfassungswidrige Bestrebungen“ entwickeln könnten. Dass mit vagen Begrifflichkeiten wie „Delegitimierung des Staates“ dem politischem Machtmissbrauch Tür und Tor geöffnet wird, dürfte eigentlich einleuchten - zumal der Verfassungsschutz dem Innenministerium, und somit immer der jeweils aktuellen Regierung untersteht.

Bei einem Regierungswechsel kann sich daher der Wind auch schnell mal drehen: Sind illegitime Beobachtungspraktiken erst einmal Usus in der Behörde, können sie fortan gegen alles und jeden gerichtet werden. Um vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, reicht es heute teilweise schon aus, die falsche Demo besucht, oder den falschen Meinungsbeitrag in den sozialen Medien geteilt zu haben. Es kann buchstäblich jeden treffen.

Diese derzeit in der Behörde vorherrschenden Beobachtungspraktiken wurden kürzlich bestätigt durch die Aussagen eines Whistleblowers aus der Behörde, der der "Schwäbischen Zeitung" ein sehr lesenswertes Interview gegeben hatte. Der mutige Insider, der interne Missstände öffentlich gemacht hat, um diese zu verbessern, wurde inzwischen suspendiert, und wird seitens des Verfassungsschutzes mit allen juristischen Mitteln verfolgt . Um ihm bei den hohen zu erwartenden Kosten zu helfen, hat der betreffende Mitarbeiter ein Crowdfunding aufgelegt, das wir an dieser Stelle selbstverständlich unterstützen.

Das massive Ausmaß der aktuellen Bürgerüberwachung wurde durch zwei zentrale Gesetzesänderungen im Jahr 2021 ermöglicht, die sich weitgehend fernab des mainstream-medialen Fokus ereigneten: Zum einen die Einführung der neuen Beobachtungskategorie „Verfassungsrelevante Delegitimierung des Staates“, mit der ein Instrument geschaffen wurde, bislang unbescholtene Bürger in den Beobachtungsbereich der Behörde zu ziehen. Offiziell werden laut dem letzten Verfassungsschutzbericht 2023 1.600 Bürger unter dieser neuen Kategorie überwacht - eine Zahl, die der noch amtierende Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang kürzlich in einer Bundespressekonferenz gegenüber der Nius-Journalistin Zara Riffler als "nur sehr wenige" bezeichnete. Ob die Zahl stimmt, und nicht in Wahrheit noch höher liegt, darf ebenso bezweifelt werden.

Der Verfassungsschutz betrachtet dabei die Begriffe „Staat“ und „Regierung“ als synonym: Wer die Regierung kritisiert, delegitimiert damit in den Augen der Behörde automatisch den Staat als solchen.

Die zweite Gesetzesänderung, welche ausufernde Überwachungspraktiken der Behörde möglich machte, war die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes im Juni 2021: Hierbei wurde beschlossen, dass fortan auch Einzelpersonen - nicht nur ganze Gruppierungen – in den Beobachtungsbereich des Verfassungsschutzes fallen können.

Bereits seit 2014 gibt es einen Online-Formulargenerator für Journalisten namens FragdenDienst , der Auskunftsanträge für die deutschen Geheimdienste erstellt. Da jedoch aufgrund der zwei Gesetzesänderungen im Jahr 2021 potenziell ALLE Bürger unter Radar der Behörde fallen können, ist ein Formular, das sich ausschließlich auf Journalisten beschränkt, heutzutage unzureichend. Des Weiteren gibt es ein Portal namens datenschmutz.de , auf der alle möglichen Datenauskunfts-Anträge an Behörden gestellt werden können - auch an den Verfassungsschutz.

Der Nachteil daran: Auskunftsanträge, sowohl über FragDenDienst, als auch über Datenschmutz.de, sind nicht sehr spezifisch auf die neue Beobachtungskategorie zugeschnitten - zudem fehlt in den jeweiligen Formularen die Möglichkeit, einen Satz zur Personalisierung, der nur einen selbst betrifft, einzufügen. Unserer Erfahrung nach spielt man dann eine Weile Ping-Pong mit der Behörde, weil die sich weigert, eine Datenauskunft herauszurücken, solange dieser eine persönliche Satz, der sich gezielt auf die eigene Person bezieht, nicht eingefügt ist.

Um diese Lücke zu schließen, und der neuen flächendeckenden Beobachtungspraxis der Behörde Rechnung zu tragen, wurde das vorliegende Projekt ins Leben gerufen.

Neben dem Hauptziel, Privatpersonen eine behördliche Auskunft zu erleichtern, verfolgt das Projekt auch ein journalistisches Rechercheziel: Im besten Fall kann damit ein Überblick über das vorangeschrittene Ausmaß der Bürgerüberwachung gewonnen werden.

Es gibt die Möglichkeit, uns via Kontaktformular zurückzumelden, wenn ein Antrag zu einem „positiven“ Ergebnis geführt hat. Neu hinzugekommene Fälle wollen wir als Gesamtzahl in einem monatlichen „Beobachtungsticker“ benennen.

Weitere Details zur eigenen Beobachtung können uns über das Kontaktformular mitgeteilt werden - dies natürlich ausschließlich freiwillig. Details zur eigenen Beobachtung und persönliche Daten werden wir niemals ohne ausdrückliches Einverständnis herausgeben. Auf persönlichen Wunsch kann der eigene Fall in eine journalistische Berichterstattung zu den neuen Beobachtungspraktiken der Behörde einfließen.

Ziel ist es, in einer Art "Gegenbeobachtung" einen Überblick zu gewinnen, wie weit die behördliche Beobachtungspraxis inzwischen schon vorangeschritten ist, und auf wieviele und welche Bürger sich diese inzwischen erstreckt.

Der Formulargenerator ist komplett “Client-basiert”: Das bedeutet, dass alle Daten, die in das Antrags-Formular eingegeben werden, nicht an unseren Server gesendet werden - nicht einmal für kurze Zeit - sondern nur über das eigene Browserfenster laufen. Das Formular wird dabei aus dem Cache geladen. Das macht den Generator besonders Datenschutz-freundlich.

Um diesen Vorgang komplett transparent zu gestalten, haben wir den Quellcode der Seite transparent einsehbar auf Github hochgeladen.

Wer sich dennoch noch unsicher ist, kann das Formular auch einfach “Blanko” herunterladen: Die Minimalanforderung ist lediglich, dass eines oder mehrere Ämter angekreuzt werden. Eigene Daten können dann später händisch oder elektronisch hinzugefügt werden.

Darüber hinaus kommt unsere Webseite vollkommen ohne Cookies, Google Analytics oder sonstige lästige Tracking-Software aus. Wir loggen nicht einmal IP-Adressen der Webseiten-Besucher, da wir an diesen Daten schlichtweg nicht interessiert sind. Die einzigen Daten, die wir erhalten, sind jene, die uns freiwillig über das Kontaktformular mitgeteilt werden. Das kann selbstverständlich auch völlig anonym oder pseudonym geschehen.

Beobachtungsticker

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